Korrigierte Fassung in Form einer Abschrift eines Artikels, der einen Gang durch die Musikinstrumentensammlung Rück beschreibt. Siehe dazu auch das Digitalisat der ursprünglichen mit Korrekturen versehenen Fassung des Artikels.
"Die Musikgeschichtliche Sammlung Rück.
(Nürnberg-S, Tafelfeldstrasse 22-24)
Die Stadt der Reichsparteitage Nürnberg birgt in ihren Mauern drei reichhaltige musikalische Sammlungen:
Die Instrumentensammlung des Germanischen Nationalmuseums enthält vor allem wertvolle Stücke des 16. und 17. Jahrhunderts.
Das Musikhistorische Museum Neupert veranschaulicht die Geschichte des Klaviers.
Die Musikgeschichtliche Sammlung Rück zeigt Instrumente aller Arten, ausser historischen Klavieren auch Streich-, Zupf-, Blas- und Schlaginstrumente aus den letzten fünf Jahrhunderten, insgesamt an 800 Instrumente. Dazu kommen ausgewählte Schriftproben der verschiedenen Musikepochen, Musikerbildnisse, Musizierbilder und eine Bücherei für Instrumentenkunde. Die Sammlung, das Ergebnis einer halbhundertjährigen planvollen Sammeltätigkeit, bietet ein vielseitiges, getreues Bild der Musikgeschichte. Sie ist aber nicht nur für das Auge geschaffen, sondern auch für das Ohr. Sie ermöglicht dem Besucher, den ursprünglichen echten Klang der alten Instrumente zu höhren; denn die wichtigsten Stücke der Sammlung sind von erfahrenen Fachleuten wieder spielbar gemacht. So kann unter kundigen Händen ihr alter Klangzauber von neuem lebendig werden. Damit aber dient die Sammlung auch dem Ziele, den Sinn für alte Musik zu wecken und die kostbaren Schätze früherer Zeiten uns wieder zu erschliessen.
Wir finden hier zunächst das Schulinstrument des Altertums und Mittelalters, den Einsaiter Monochord. Das vielseitige Hackbrett (Psalterium) ist in Stücken aller Stilepochen vertreten.
Daneben fällt sein orientalischer Verwandter, das arabische Qanun, auf, ein uraltes Lieblingsinstrument der Haremsdamen.
Wir finden ferner die Entwicklungsgeschichte des Klaviers, durch zahlreiche Instrumente dargestellt.
Unter den Clavichorden ragen 2 Instrumente unserer fränkischen Heimat hervor: ein tonlich ganz vorzügliches von Hubert in Ansbach [MIR1058] und ein mit Rokoko-Arabesken auf rosa Grund bemaltes von Befinger [Geßinger] in Rothenburg o.d. Tauber (1780) [MIR1055]. Unter den Spinetten finden wir zwei der frühesten überhaupt noch erhaltenen, darunter eines mit der Jahreszahl 1540, das älteste Spinett des berühmten Dominicus Pisaurensis [MIR1081]. Ein einzigartiges Stück ist das automatische Nähkasten-Virginal von Bidermann in Augsburg um 1580 gebaut [MIR1223]: ein zierliches Nähkästlein aus schwarz poliertem Holz mit grünem Samtnadelkissen und einer Schublade für das Nähgerät. Oeffnet man den Deckel, so kommt ein reizendes Spinett mit wundervoll bemaltem Resonanzboden und einer zierlichen Rosette zum Vorschein. Zieht man dann eine Feder auf, so spielt es automatisch vier ganz feine Stücklein[.]
Die Kielflügel der Sammlung beweisen so recht die hohe Kunst der Alten, ihren Werken die unterschiedlichsten Klangfarben zu geben. Die Generalbassepoche wird durch ein Cembalone von 1695 [MIR1075] versinnbildlicht, dessen majestätisch voller Klang die gegebene Stütze der grossen barocken Konzertwerke ist.
Unter den Erbauern von Hammerklavieren sind mit guten Arbeiten die Ansbacher Hubert und Hofmann und der Nürnberger Bodechtel vertreten. Ein Rokoko-Prachtstück ist der zierlich Travers-Hammerflügel von Hubert [Querhammerflügel MIR1176], wohl das schönste Stück seiner Art.
Musikgeschichtlich besonders wertvoll ist der Hammerflügel von Anton Walter in Wien [MIR1098], die Dublette zu Mozarts Originalflügel [Salzburg 1782b], der in Salzburg in Mozarts Geburtshaus zu sehen ist.
Hierzu kommen nicht weniger wertvolle Flügel, die das Klangideal Beethovens und der Romantiker in sich tragen.
Unter den Tafelklavieren treten ein englisches, zwei sehr alte italienische sowie drei der seltenen harfenförmigen, klanglich ganz entzückenden 'Reiseklavierchen' von Schmahl, Ulm, hervor [MIR1136-1138]. Aus der Biedermeierzeit finden wir einen Giraffenflügel von Anton Biber, Nürnberg, eine entzückende Pyramide von Schlimbach, Königshofen und einen herrlichen Schrankflügel von Ehrlich, Bamberg.
Eine formenschöne Empiregiraffe von Schlimbach [MIR1185] enthält ausser der Klaviermechanik auch eine Aeoline, das ist eines der frühesten Harmoniumspiele. Zwei frühe französische Pianos beschliessen die Reihe.
Die beiden Familien der Streichinstrumente, die der Violinen und der Gamben, sind in allen wichtigen Typen in der Sammlung zu sehen. Unter den Violinen und Violen (Bratschen) finden wir vor allem Werke deutscher Meister, darunter der Nürnberger Widhalm und Mausiell.
Von den Widhalm-Instrumenten ist sogar ein vollständiges Quartett vorhanden.
Unter den Bratschen ist als besonders selten bemerkenswert die Viola da spalla eines Brescianer Meisters, ferner die Tenorgeige und die Viola pomposa [MIR836], die beide noch Joh. Sebastian Bach verwendete. Ein faustgerechter dreisaitiger Tiroler Bass erinnert an die Volksmusik der guten alten Zeit. Gar winzig erscheint dagegen das Quartgeiglein, der Violino piccolo Bachs, nicht weniger seltsam die kleine, in einem Spazierstock verborgene Biedermeiergeige [MIR770].
Die Gamben-Familie mit ihrem milden, silbrigen Ton ist vollzählig vertreten.
Eines der reizvollsten barocken Instrumente ist die Viola d'amore. Sinnigerweise trägt ihr wirbelreicher Kasten den Amor mit der Augenbinde. Als besondere Seltenheit finden wir eine Gross-Viola d'amore des Salzburger Altmeisters Schorn [MIR802], dessen noch Vater Leopold Mozart in seiner klassischen Violinschule gedenkt, ferner zwei Trumscheite, auch Nonnengeigen genannt, die einen markerschütternden Klang ergeben. Recht mittelalterlich muten die heute so selten gewordenen schwedischen Nykelharpas sowie die verschiedenartigen Drehleiern an.
Unter den Zupf-Instrumenten treten vor allem die Lauten durch edle Formen und fein geschnitzte Schalloch-Rosetten hervor.
Fast 2meterlange italienische Erzlauten, sogenannte Chitarronen, fallen durch ihre Grösse auf. Die eigenartige Notenschrift der Laute zeigt eine köstliche Alt-Wiener Lautentabulatur.
Der berühmteste Gitarrenbauer aller Zeiten, Sellas in Venedig, ist mit einer signierten Prachtgitarre von 1624 vertreten [MIR860]. Einzig in ihrer Art ist eine italienische Bassgitarre in Schlangenform [MIR859].
Gegen 1800 wird die Gitarre zur grossen Mode. Zwei besonders elegante Lyragitarren (um 1800) und eine altitalienische Wölbgitarre sind kunstgewerblich bemerkenswert.
Eine besondere Seltenheit ist die Streichgitarre, die Schubert zu einer Sonate begeisterte. Die schon lange nicht mehr gespielten Zistern und Basszistern sind durch deutsche, englische und französische Stücke vertreten. Als ähnliche Typen schliessen sich Balalaika und Banjo an, auch sämtliche Arten der Mandolinen.
Mit besonderer Liebe ist in der Sammlung die Zither, das Hausinstrument der Aelpler, veranschaulicht. Wir sehen das Scheitholt [MIR661], einen mit wenig Saiten bespannten einfachsten Holzkasten, die Vinschgauer Raffel [MIR658], die Salzburger und Mittenwalder Form, die Herz-, Zwillings- und Drillingszither, wie auch die mechanische und die Türzither. Aeolsharfen, eine entzückende kleine Spitzharfe, eine Schossharfe und dekorative grössere Harfen beschliessen die Reihe der Zupfinstrumente.
In der Gruppe der Holzblasinstrumente fesselt vor allem eine eindrucksvolle Schau der Entwicklung der Flöte in etwa 100 Stücken.
Fünf Schalmeien aus dem Hochkaukasus und aus Italien, sowie 20 Oboen, darunter eine unseres Nürnberger Meisters Denner, Oboi d'amore der so seltene Schweizer Musettenbass [MIR400], dazu mittelalterliche Pommer und Englischhörner veranschaulichen den Werdegang der Oboenfamilie. Die Fagotte sind, angefangen vom Dulzian des 16. Jahrhunderts bis zu dem riesenhaften italienischen Rohrbass vertreten. Gar mancher wird
nicht wissen, dass auch der Dudelsack zu den Schalmeien gehört. Es folgen Klarinetten, deren Erfinder bekanntlich der Nürnberger Denner ist.
Drei schöne Saxophone, darunter zwei Originale von Sax [MIR485 und 486], Paris, (um 1850) ergänzen diese Gruppe. Die vielfach herrschende Meinung, das Saxophon sei ein Kind unserer Zeit, ist demnach falsch, was die alten Stücke anschaulich beweisen.
Die grosse Familie der Hörner stammt vom Tierhorn ab. Das Naturhorn ist schon in frühen Zeiten der Menschheit als Signalinstrument gebraucht worden. Schöne Exemplare, wie sie heute noch in Westafrika als Kriegshorn benützt werden, finden wir hier.
Es folgen die meterlangen Alphörner, die Jagd-, Wald- und Posthörner, Horninstrumente kleinen Formats sind die Zinken (aus Holz oder Elfenbein), von der Zunft der Zinkenisten im Mittelalter kunstreich geblasen, wie der Stadt-Pfeiferstuhl der alten Stadtpfeifer im Nürnberger Rathaus heute noch dartut. Tiefbasszincken und Basshörner vervollständigen diese Gruppe.
Die Sammlung zeigt weiterhin die Entwicklung der Trompeten und Posaunen in allen wichtigen Typen bis zur modernen Ventiltrompete, darunter wertvolle alte Stücke der weltberühmten Nürnberger Trompetenmacherzunft. Dazu kommen Tenorhörner, Kornette und Bombardons und eines der ersten Helikone von gewaltigem Ausmasse.
Auch Schlag- und Geräuschinstrumente fehlen nicht. Unter anderem finden wir zwei Paukenpaare aus der Rokokozeit, zierliche alte Glockenhüte und Schellenbäume, alte Trommeln, Xylophone und Karfreitagsratschen. Aus der Biedermeierzeit stammen Maultrommeln in neckischen Behältern und winzige Biedermeier-Musikdosen. Fein singende Nagelgeigen sowie ein Stahlstab- [MIR1044] und ein Metallplattenklavier runden die Gruppe ab.
Die Königin der Instrumente, die Orgel, ist durch mehrere schöne Prozesssions- und Hausorgeln vertreten. Die älteste von 1617 stammt aus Südtirol [MIR1017, um 1750], eine andere aus der Barockzeit vom Tegernsee [MIR1018]. Kleine Vogelorgeln und frühe Harmoniums schliessen sich an.
Eine ausgewählte Gruppe von Instrumenten will exotische Verwandte unserer heutigen europäischen Instrumente zeigen, fast mit allen Typen ist unsere fühere Kolonie Kamerun vertreten.
Von bester Arbeit sind märchenhaft bemalte oder fein eingelegte orientalische Lauten und ein zweimetriges Koto - uraltes Kulturgut der Japaner - mit schöner Boulle-Einlage-Arbeit in Schildkrott und Metall [MIR1417].
Kupferstiche des 16., 17. und 18. Jahrhunderts veranschaulichen, wie unsere Altvordern ihre Instrumente gespielt haben. Dazu führen uralte Pergament-Noten die frühe Neumen-Notenschrift des 11. und 12. Jahrhunderts vor Augen und Ihre Weiterentwicklung zur gotischen Choral-Notation des 15. Jahrhunderts mit feinen, farbensatten Miniaturen.
Unsere Schau ist beendet.
Zum Abschied grüssen uns lebenswahre Bilder unserer grossen deutschen Tondichter, als wollten sie uns mahnen:
'Ehrt Eure deutschen Meister! // So bannt ihr gute Geister.' [aus Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg]"