NL Rück, I, C-0570i

"Lieber Herr Marx!

Je mehr ich mir die Angelegenheit Ihres Kommens überlegte, umsomehr komme ich zur Überzeugung, dass es das beste ist, wenn wir uns hier treffen und nicht in München. Durch die einschränkenden Bestimmungen der Reichsbahn über die Zugbenützung ist das Fahren auf weiten Strecken zu Pfingsten nur gegen Zulassungskarten erlaubt. Leipzig wird hierfür besondere Bestimmungen haben, Sie erfahren diese am Bahnhof.

Ich würde es sehr begrüssen, wenn Sie den Juni über hier wären, vielleicht bringen wir dann den Mozart-Flügel fertig, vielleicht auch sonst noch einige Kleinigkeiten. Ich lade Sie ein, Pfingsten bei mir zu verbringen. Wenn Sie aber lieber Pfingsten bei Ihren Verwandten oder Ihrer Familie in Leipzig bleiben wollen, ist es mir auch recht.

Fahren Sie also je nach Ihrem Wunsch am 31. Mai, 1., 2., 3., oder 4. Juni hierher.

Wenn Sie am 1. oder 2. hier ankommen, so sende ich Ihnen vorher noch den Hausschlüssel, damit Sie ins Haus herein können, falls ich an einem dieser Tage in Heilsbronn wäre. Sie fahren wahrscheinlich in Leipzig mit dem Eilzug weg, der früh um 7 Uhr 18 abgeht und hier 13 Uhr 28 ankommt. Wenn ich Sonntag oder Montag in Heilsbronn bin, dann können Sie an diesen Tagen um 16 Uhr 50 nachfahren, sind 17 Uhr 50 in Heilsbronn und wir treffen uns dann in der Schönau. Sollte ich woanders sein, hinterliegt auf dem Tisch in der Diele ein Zettel für Sie.

Zu diesem Eilzug müssen Sie sich eine Zulassungskarte lösen und ich würde Ihnen raten, diesen Eilzug zu benützen, weil dieser wahrscheinlich nicht so voll ist wie der einzige noch verkehrende Tageszug, nämlich der Berliner D-Zug, der hier um 19 Uhr ankommt, der aber nur Anschluss in Weissenfels hat: in diesem Zug müssen Sie mit fast 100%iger Sicherheit stehen, denn er ist wahnsinnig überfüllt.

Ich lege Ihnen separat eine Bestätigung bei, dass Sie hier am Henlein-Hammerklavier dringende Arbeiten haben, damit Sie einen Ausweis haben, falls Sie ihn für die Zulassungskarte benötigen.

München und Salzburg machen wir dann von hier aus und zwar derart, dass wir mit dem Auto von Karl Haber etwa gegen den 8. Juni zu nach München fahren, von dort mit der Bahn nach Salzburg und mit der Bahn wieder zurück nach Nürnberg.

Die Zwischenzeit können wir gut ausfüllen: ich habe einen Stöcker-Flügel mit oberschlägiger Mechanik, der nach München kommen soll und der eine kleine Durchsicht braucht, aufstellen lassen und ich denke, nach meinem Befund dürfte die Zeit zwischen Dienstag und Freitag dazu genügen, denn es ist ein Flügel, schwer gepanzert, aus der Zeit nach 1840.

Seien Sie so lieb, mir postwendend Ihren Bescheid zugehen zu lassen, ob Sie den Hauschlüssel für Pfingstsonntag und -montag benötigen. Wenn Sie erst Pfingst-Dienstag kommen, sende ich ihn nicht, da wir da sowieso wieder zuhause sind.

Mit herzlichen Grüssen

wie immer Ihr".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1941,05,26
Schreibort
Nürnberg