NL Rück, I, C-0873a

[Wurde als Anlage zusammen mit dem Brief vom 24. November 1934 an Ulrich Rück versandt.]

Aus der Klangwelt unserer Vorfahren -

eine wertvolle Sammlung alter Musikinstrumente.

Was bedeuten uns heute alte, längst nicht mehr gebrauchte Musikinstrumente? Wenn wir ein neues Klavier haben oder gar einen Flügel, was kann uns dann noch ein Klavichord oder ein Cembalo sagen?

Wir fühlen uns heute mehr als je dem seelischen Erbgut unserer Voreltern, unseres Volkes verbunden. Unser Leben gewinnt um so mehr Fülle und Weite, je mehr wir uns der Kraft und der Mannigfaltigkeit dieses Erbguts bewusst werden.

Gerade das aber, was einst am unmittelbarsten aus der Seele strömte, der lebendige Klang der Musik früherer Zeiten, ist verhallt. Buchstaben und Noten überliefern nur Andeutungen dieses Klanges, die gar zu leicht verdeutet werden.

Und doch ist der alte Klang nicht ganz verloren. Er schlummert noch in den seltenen Instrumenten, die aus vergangener Zeit erhalten sind. Aus ihnen kann die Klangseele unserer Vorfahren und der grossen Meister der Tonkunst wieder zu uns sprechen. Dazu gehört allerdings, dass die Instrumente auch im Sinne ihrer Zeit gespielt werden. Da sie ja meist arg verfallen sind, ist zu allererst aber notwendig, dass kundige Hände sie wieder so spielbar machen, wie sie es einst waren.

Wie wertvoll, aber auch wie selten sind daher Musikinstrumentensammlungen, die einen Gesamtüberblick über die Geschichte unserer Instrumente geben und mit spielbaren Instrumenten wirklich in der Klangleben unserer Geschichte einzuführen vermögen.

Zu diesen wenigen, seltenen Sammlungen gehört die des Pianohauses Rück in Nürnberg. Vor nahezu 50 Jahren hat der Firmengründer Herr Wilhelm Rück, der als Lehrer mit der Musikpflege aller Volkskreise in lebendiger Fühlung stand, seine planvolle Sammeltätigkeit begonnen, seine Söhne Dr. Ulrich und Hans Rück haben sie erfolgreich fortgesetzt und sich besonders darum bemüht, die besten Stücke geschichtlich getreu wieder gebrauchsfähig zu machen. Dadurch hat die Sammlung einen unschätzbaren Wert nicht nur für die Erforschung des musikalischen Klangwesens erhalten, sondern auch für die Musizierenden selbst: hier können sie hören, welcher Klang eigentlich einem Schubertschen Klavierstück, einer Mozartschen Sonate, einer Bachschen Flötenmelodie, einem alten Tanzsatz für Streichinstrumente zukommt. In Aufführungen des Erlanger Musikwissenschaftlichen Seminars sowie des Städtischen Konservatoriums und des Gambenquintetts in Nürnberg hat sich die Zauberkraft der alten Instrumente der Rückschen Sammlung auch vor weiteren Hörerkreisen bewährt. Über siebenhundert Instrumente aller Gattungen aus den letzten fünf Jahrhunderten sind hier vereinigt. Vom Monochord, dem Schulinstrument des Altertums und des Mittelalters, über Psalterium und Hackbrett zum Klavichord, Spinett und Cembalo in ihren verschiedenen Formen, weiterhin über die mannigfachen Ausgestaltungen des Hammerklaviers, dem Tafel-, Giraffen-, Pyramiden-, Schrankklavier und Flügel bis zum Instrument der Gegenwart können wir hier der Geschichte des Klaviers nachgehen. Dabei finden wir musikgeschichtliche und zugleich kunstgewerbliche Kostbarkeiten wie ein automatisches Nähkasten-Virginal aus dem Anfang des 17. von Bidermann [MIR1223] - Augsburg (um 1600) und das einzige erhaltene Doppelstück zu dem Flügel, den Mozart in seinen letzten Lebensjahren spielte: einen klang - und formschönen Hammerflügel von Anton Walter in Wien [MIR1098]. Nicht weniger wertvoll sind zwei alte Prozessionsorgeln, von denen die eine im Jahre 1617 für eine südtiroler Dorfkirche [MIR1017], die andere 1723 in Schlesien [wahrscheinlich MIR1023, geb. 1734], gebaut wurde. Von der kleinen Taschengeige bis zum grossmächtigen Bass sind alle Arten Streichinstrumente vertreten, darunter so seltene Stücke wie die Diskantgambe, die Gross-Viola d'amore, die Viola da spalla und die Viola pomposa [MIR836].

Eine schwedische Schlüsselfidel und einige alte Drehleiern ergänzen diese Reihe. Kostbare Lauten, Theorben, Zistern, Gitarren, Mandolinen und Harfen verschiedener Art und Grösse, von den besten alten Meistern gebaut, fesseln das Auge. Zahlreiche Zithern veranschaulichen die Entwicklung des älplerischen Volksinstruments. Mit über hundert Flöten verschiedener Art, mit mehr als zwanzig Oboen, vielen Fagotten, Dudelsäcken, Klarinetten und Saxophonen, meterlangen Alphörnern, Trompeten, Posaunen, Kornetten und Bombardons. Zinken und Serpenten, Jagd-, Wald-, Klappen- und Ventilhörnern, Trompeten, Posaunen, Kornetten und Bombardons stellt sich die grosse Familie der Blasinstrumente dar. Dass auch die Schlag- und Geräuschinstrumente stets wichtige Glieder unseres Instrumentenschatzes gewesen sind, bezeugen unter anderem ältere und neuere Pauken und Trommeln, Glockenhüte und Schellenbäume, nicht zuletzt auch zwei Karfreitagsratschen aus altehrwürdigen Dorfkirchen des Salzburgischen und Schweizerischen Landes.

Liegt das Hauptgewicht der Sammlung naturgemäss auf den Instrumenten unseres eigenen Kulturkreises, so ist doch zur Erweiterung des Überblicks auch manches wertvolle Stück aus fernen Ländern und Zonen erworben worden, neben anderem z. B. einige südslavische Guslen [MIR775-777], ein arabisches Qânun [vielleicht MIR1312, Afrika], ein reichverziertes japanisches Koto [MIR1417], eine phantasievoll bemalte indische Tamburi [=Tanpura, MIR1348].

Der Vertiefung des bei Betrachtung der Instrumente gewonnenen Einblicks in Wesen und Geschichte unserer Musik aber dienen Musikbildnisse und Musizierbilder, Musikhandschriften und -drucke aus früheren Jahrhunderten und eine besonders der Instrumentenkunde gewidmete Bücherei. Diese Verbindung von Instrument, Klang, Bild und Schrift macht die Musikgeschichtliche Sammlung Rück nur so um so mehr zu einer Stätte reicher Anregung und Förderung für eine Musikpflege, die auf unserem besten musikalischen Erbbesitz weiterbaut.

 

Einladung!

Wir beabsichtigen diese Sammlung allen Interessenten und Freunden der Kunst und Musik zugänglich zu machen und bieten damit jedem die Möglichkeit, die Entwicklung unserer Musikinstrumente in 5 Jahrhunderten zwanglos und kostenfrei zu besichtigen. Wir würden uns freuen auch Sie in unserem Hause zu sehen."

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1934,11,24
Schreibort
Erlangen
Erwähnte Objekte
Automatenoktavvirginal
Tasteninstrumente
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)
Gusle
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)
Gusle
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)
Gusle
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)
Qanun (Flügelzither)
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)
Koto (Wölbbrettzither)
Zupfinstrumente
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)
Tanpura (Bundlose Mischwirbellaute)
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)
Orgelpositiv
Tasteninstrumente
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)
Orgelpositiv
Tasteninstrumente
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)
Viola pomposa
Streichinstrumente
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)