"Lieber Herr Dr. Rück!
Heil und Sieg zum Wiedereinzug in Nürnberg zuvor! Und nun einige Vorbemerkungen zu dem morgigen Treffen im Erlanger Kaiserhof für den Fall, daß etwa auch Magnifizenz [Johannes Reinmöller] dort sitzt und wir mit ihr in ein Gespräch kommen. 1) Der Name "Becking" darf nicht erwähnt werden!!! Abgesehen davon daß B. seiner zumindest einstigen politischen Einstellung wegen hier nicht beliebt ist: es ist bekannt genworden, daß er in Prag sich über Magnifizenz in einer Weise geäußert hat, die in das Kapitel der Greuelmärchen gehört. Ich bedaure außerordentlich, daß er seiner Phantasie derart die Zügel hat schießen lassen, vielleicht mehr aus Freude am phantastischen Ausschmücken spannender Erzählungen als aus bösem Willen. Es mag auch sehr übertrieben worden sein, was er tatsächlich erzählt hat. Aber vorläufig besteht die Tatsache, daß er hier unmöglich geworden ist. Vor ein paar Tagen schrieb er mir übrigens, daß er demnächst wieder einmal her kommen wolle. Für den Fall, daß er wieder bei Ihnen hausen sollte, würde ich gern in Nürnberg mit ihm über diese Sachen sprechen, ehe er hierher kommt und es vielleicht unliebsame Begegnungen gibt. Ich werde ihm zwar auch darüber schreiben, aber so ausführlich wie es wünschenswert ist geht es doch besser mündlich als schriftlich.
2) Was den künftigen Seminarflügel und die darüber mit Magnifizenz geführten Gespräche betrifft, so hatte ich Herrn Haid während Ihrer Abwesenheit schon über den Stand der Angelegenheit informiert, aber wer weiß, ob er Zeit gehabt hat, Ihnen davon zu berichten. Daher möchte ich das hiermit tun.
Das Ergebnis meines letzten Vorstoßes bei M. hat allerdings eine Wirkung gehabt, die nicht vorauszusehen war: Magnifizenz will dem Seminar in absehbarer Zeit, sobald er nämlich sich auf sein Gut an der Ostsee zurückieht - immerhin dürfte das noch einige Jährchen dauern -, seinen eigenen hiesigen Flügel überlassen, weil er nämlich auch an der Ostsee ein Instrument hat. (Ich bitte das vertraulich zu behandeln!) Sie können sich wohl vorstellen, wie überrascht ich von dieser Eröffnung war und daß es unter diesen Unständen nicht anging, die Offensive für Ihren Steinway fortzusetzen. Es bedarf zum mindesten einer Pause, nach der es vielleicht möglich wäre, darzulegen, daß es wünschenswert ist, außer jenem gestifteten Instrument, das gewiß für Kammermusik, aber nicht für große Konzerte ausreicht, noch einen Flügel großen Formats zu haben. So angenehm mir auch jene angekündigte Stiftung ist, so sehr bedaure ich andererseits freilich, daß an Ihr schönes Instrument nun zunächst nicht mehr zu denken ist. Wenn wir morgen Magnifizen sprechen sollten, ist es also wohl am besten, das Flügelthema gar nicht anzuschneiden, wenigstens nicht direkt. Oder aber: Sie fragen ganz ahnungslos - aber viel Zweck hätte das nicht, denn die Antwort wissen wir ja nun.
Alles übrige morgen mündlich. // Mit herzlichen Grüßen // Ihr // [handschriftl.] RudolfSteglich."