NL Rück, I, C-0873a

"Liebe Herren Rück!

Durch meine Kasseler Reise hat sich leider die Antwort auf Ihren Brief vom 25. unliebsam verzögert - dafür aber war es in Kassel auch sehr interessant. Da wurden z. B. in der Werkstatt Hoesch-Kabel fabrizierte Kopien eines Hammerklaviers und eines Hammerflügels von Anton Walter und Sohn gezeigt und vorgeführt, die ziemlich mulmig klangen - die Originale sollten angeblich 1780 gebaut sein: glatter Schwindel! Da der Sohn bekanntlich jünger als der Vater zu sein pflegt, aber auch des verschleierten Klanges wegen kommt allenfalls die Zeit um 1810 in Frage. Wenn man Ihren richtigen Walter gespielt hat, kommt einem dieses Theater mit den Walter und Sohns richtig vorsindflutlich vor! Auch sonst waren allerlei Cembalo-Clavich ord- Blockflöten- Gamben etc-Firmen vertreten. Am meisten Eindruck haben mir noch die Klavichorde von Merzdorf gemacht, die endlich mal nicht dieses piepsige Wesen haben, das den sonstigen Neubauten eigen zu sein pflegt. Peter Harlan produzierte sich mit einer eigenhändig fabrizierten Drehleier - es war auch danach! Vielleicht kann man den Leuten übers Jahr doch mal etwas Originales vorführen, damit sie mal merken, daß es sich bei alledem um mehr als Kuriositäten hatdelt! Ich habe Ihnen von Kassel einen Stoß Prospekte der verschiedensten Herrschaften mitgebracht, die ich lhnen nun als Drucksache und angenehme Ferienlektüre servieren werde. - Maendler war leider nur mit seinen Xylophonen vertreten.

Nun aber zur Hauptsache! Vielen Dank, daß Sie sich um Herrn Kirkpatrick für Erlangen bemüht haben. Es ist nur eine verfl. Geschichte, daß ich vor dem Beginn des Semesters keine Aussicht habe, hier etwas Derartiges mit einigem Erfolg, d.h. gefülltem Saal machen zu können. Und das Semester beginnt am 1. November! Dazu muß man die meist von anderen Sachen besetzten allerersten Tage abrechnen, so daß man etwa vom 5. November ab etwas unternehmen könnte. Was tun, spricht Zeus, unter sotanen Umständen? Wenn Herr K. nur nicht sobald nach Amerika entfleuchen müßte! Vielleicht könnte er doch nach Jena hierher kommen? Die Fahrt ist doch nicht weit. Fährt er morgens 8.41 mit Eilzug von Jena ab, so ist er mittags 12.51 hier in Erlangen. - Was das Programm betrifft, so würde ich Nr. V vorschlagen: Bach, Goldbergvariationen auf dem Cembalo und die zwote Hälfte, zwei Französishe Suiten und vier Präludien und Fugen auf dem Klavichord. In Anbetracht dessen, daß meine einführenden Worte auch etwas Zeit in Anspruch nehmen, genügten schließlich auch zwei Präludien und Fugen oder nur eine Suite. Als Clavichord würde ich das Venzky-Klavichord des Seminars oder eines Ihrer Originale vorschlagen.

Jetzt stecke ich bis über die Ohren in der J. S. Bach-Korrektur. Fast jeden Tag kommt so ein Pack durchzukorrigierende Blätter - eine Sauarbeit! Der Verlag betreibt die Herausgabe sehr lebhaft - leider nur die Honorierung nicht ebenso lebhaft: ich warte immer noch auf die erste Rate! Wäre sie früher gekommen, so wäre ich von Kassel aus gar nicht erst zurückgekommen, die Korrektur hätte sich auch in irtend einer angenehmen Herbstfrische erledigen lassen. Nach Nürnberg bin ich noch gar nicht wieder hinübergekommen. Kommende Woche aber muß es nun schon wegen des Dulcken [MIR1115] und des Graebner [MIR1106] und des Arpeggione werden!!

Mit herzlichen Grüßen // Ihr ergebener".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1934,09,29
Schreibort
Erlangen
Erwähnte Objekte
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Klang
Bundfreies Klavichord
Tasteninstrumente
erwähnt als
Konzert
Hammerflügel
Tasteninstrumente
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnte Institutionen
erwähnt im Zusammenhang
Erbauer(in) Musikinstrument(e)
erwähnt im Zusammenhang
Erbauer(in) Musikinstrument(e)
Nachbau
Literaturreferenz
Steglich 1935a