NL Rück, I, C-0570e

"Lieber Herr Marx!


Hoffentlich haben Sie Weihnachten im Kreise Ihrer Familie schön
und gut verbracht, was ich auch von uns berichten kann.Es wird
bei Ihnen genau so kalt sein wie bei uns.

Ich bin seit Samstag wieder in Mürnberg und höre von Herrn Käser,
dass der Stimmhammer nebst Wirbel von M ö n c h direkt an Sie ge-
sandt wurde. Ich nehme an, dass er inzwischen bei Ihnen eintraf.

Heute eine Anfrage: es ist uns die Sammlung alter Instrumente von
K l i n k e r f u s s - Stuttgart Angeboten worden. Wir erfuhren
auf der Rückreise kurz über Stuttgart und besichtigten uns die In-
strumente ganz kurz es sind etwa 45 Tasteninstrumente, darunter
Clavichorde, 1 Cembalo und einige Spinette, 2 interessante
aufrecht stehende Flügel. Ferner ca. 20 Streich- u. Zupfinstrumente,
etwa 80 Blasinstrumente. Diese Sammlung soll im ganzen abgestossen werden, es sind fünf Leute darin beteiligt und aus Platzmangel und erbteilungshalber muss sie weg.

Wir interessieren uns für eine kleine Zahl der darin enthaltenen
Instrumente, den überwiegend grossen Teil würden wir unrepariert weiter verkaufen, wenn sich dafür eine Verkaufsmöglichkeit ergibt.
Hierüber dürfte die Entscheidung schon in den ersten Januar-Tagen
fallen. Ergibt sich diese Weiterverkaufsmöglichkeit, so möchten wir die ganze Sammlung eingehend besichtigen, den Befund aufnehmen und dann durch Schultz schätzen lassen. Dadurch, dass fünf Verwandte beteiligt sind, ist die Einschaltung eines Preisschätzers nicht zu umgehend. Damit aber Schultz Unterlagen hat, ist notwendig, die Instrumente durch einen Fachmann ansehen zu lassen und der Fachmann wären halt wie immer Sie!

Jetzt werden Sie den Braten spannen: Wir fragen an, ob Sie Lust hätten, dass wir zu dritt (Sie und wir beide) den Befund der Instrumente schriftlich aufnehmen. Ihr Rat und Ihrer Erfahrung wären uns dazu unersetzlich.

Die Sammlung wird in dieser Woche auf unsere Vermittlung hin in die
Fabrik von Schiedmeyer Pianoforteabrik nach Altbach am Neckar nächst Plochingen und Esslingen gebracht. Dadurch steht sie in behaglich und gut durchheizten Räumen, sodass ein bequemes Arbeiten in jeder weise gewährleistet ist. Wir konnten in Plochingen oder in Esslingen gut untergebracht wohnen und könnten sicher gemeinsam einige nette Tage verleben.

Einige wenige Instrumente stehen in den neuen Geschäftsräumen von Klinkerfuss in der Geisstrasse zu Stuttgart, diese könnten wir dort bequem besichtigen, ebenso der grösste Teil der Blas- und Zupfinstrumente. Für diesen Zweck konnten wir in Stuttgart solange bleiben.

Wir denken uns die Sache so, dass wir gemeinsam von jedem Instrument kurz den Befund aufnehmen und dann würden wir Schultz
um die Schätzung ersuchen, die wir dann Herrn Klinkerfuss zuleiten würden. Bei Besichtigung der ganzen Sammlung würden wir drei dann festlegen, welche Instrumente für uns als Ergänzung noch in Frage kommen könnten. Herr Klinkerfuss will auch eine ganz kleine Entwicklung des Klavieres in wenigen Stücken für sich selbst behalten.

Dies wären so unsere Plane und wir fragen heute es, ob Sie Lust hätten, mitzumachen: der Entscheid über die ganze Angelegenheit dürfte entweder noch in dieser Woche oder in den nächsten fallen und anschliessend würden wir dann gleich hinfahren, da ich beabsichtige, danach wieder im Urlaub zu gehen, denn mein Arzt hat mir einen mehrmonatlichen Urlaub dringendst ans Herz gelegt.

Seien Sie so lieb, nach Ueberdenen der Sache uns ihren Entschluss
mitzuteilen.

Nun noch eine Bitte: ich sende Ihnen separat eine kleine Viola, die uns von Wien aus zur Ansicht und zum ev. Kauf gesandt wurde. Uns erscheint das Instrument umgebaut: es hat offensichtlich einen neuen Hals, dabei ist von dem schönen Ahornboden oben an der Platte
seitlich zuviel weggenommen worden. Auch scheint uns der Boden einen Stimmriss zu haben, der durch eine innen aufgesetzte Platte, nicht gerade sehr sachgemäss repariert ist. Garnicht kennen wir uns mit. den Wirbelkasten aus: Wenn es, wie wir aus den kleinen Massen des Korpus vermuten, eine Diskant Viola da Bracio gewesen in ähnlich Meyer- Sammlung er. 786/787, so müsste es eigentlich fünf- oder sechsaitig gewesen sein. Wir können aber am Wirbelkasten nicht entdecken, dass ein fünftes Loch vorhanden wäre. Man sieht am Wirbelkasten deutlich, wo der neue Hals eingesetzt worden ist: es märe möglich, dass vielleicht bei dieser Gelegenheit der Wirbelkasten verkürzt wurde ? Nun sind Diskant Viola das Braccio äusserst schwer zu bekommen. Sie entsinnen sich, dass wir Ihnen vor Jahresfrist aus München eine Tielke einsandten, bei der die Zarge niedriger gemacht worden war, die also schwer vermurkst war und die wir deswegen nicht kauften. Infolgedessen würde uns Ihre Expertise für dieses Instrument sehr wertvoll sein: wenn Sie glauben, dass es ein Diskant ist und dass die Zarge ursprünglich ist, und dass es bei entsprechender Reparatur brauchbar wird, würden wir das Instrument zu erwerben suchen, weil uns ein Diskant fehlt und wir einen solchen seit einer Reihe von Jahren schon suchen. Sie könnten das Instrument liegen lassen und dann ev. mit nach Stuttgart bringen. Unabhängig davon aber wären wir ihnen für Ihre Rückäusserung zu Dank verbunden, ob es erwerbenswert ist nach den geschilderten Umständen und wielviel Sie glauben, dass wir dafür bieten konnten.

Ohne mehr für heute sind wir mit herzlichen Grüssen
wie immer Ihre".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1938,12,27
Schreibort
Nürnberg