NL Rück, I, C-0427

Handschriftlicher Brief des zum Kriegsdienst eingezogenen Musikwissenschaftlers Georg Karstädt. Oben links Absenderangabe: Pol.-Oberwachtm. Dr. Georg Karstädt, // Pol.-Ausbildgs.-Batl. Berlin, 3. Komp. // Bln-Spandau, Lager der Ordnungspolizei SS.

Karstädt dankt Rück für seine Post und bittet um Entschuldigung, dass er und seine Frau nicht früher geantwortet haben. Krankheit, ein Wasserrohrbruch im Wohnhaus sowie Fliegeralarm hatten nicht die nötige Ruhe zum Schreiben gelassen. Anhand des Absenders kann Rück ersehen, dass Karstädt in der "alten traditionellen Infanterie- und Schleifstätte Spandau gelandet" ist, um dort als Oberwachtmeister (im Dienstrang Unteroffizier der Wehrmacht) "Rekruten für den verantwortungsvollen Dienst in der Schutzpolizei auszubilden." Das Lager der Ordnungspolizei SS ist neu errichtet, Karstädt und seine Kameraden sind die ersten Bewohner dieses Musterlagers. Das Leben dort ist "angenehm und gesund", sofern er nicht in Gedanken bei seiner Arbeit im Institut für deutsche Musikforschung ist, wo die "Musikbibliographie" seit nunmehr 14 Monaten verwaist ist. Irgendwann hofft Karstädt, Stahlhelm und Tornister in die Bekleidungskammer geben zu können und statt dessen wieder mit Filz und Aktentasche loszuziehen.

Dienst in Spandau ist hart und stellt hohe Anforderungen, sodass an wissenschaftliche Arbeit nebenbei nicht zu denken ist. Freut sich daher sehr, wenn er von seiner früheren Welt etwas erfährt. Denkt mit Freude an "die schöne alte Reichsstadt Nürnberg, an den festlichen Glanz des Reichsparteitages 1937, an meine Besuche bei Ihnen, an Professor Steglich, an den schönen Zinken, an die Buccina [gemeint ist mit großer Wahrscheinlichkeit die Nachbildung des römischen Cornu MIR13] usw. usw."

Erhielt einen Brief von einem Assistenten der Technischen Hochschule in München, Herrn Hiltscher, der sich in seinen militärischen Mußestunden bei einer Baukompagnie zum Zinkenbläser ausbilden lassen wollte. Karstädt verwies ihn wegen eines geeigneten Instruments an Heckel in Biebrich, dessen im Auftrag der Sammlung Rück angefertigten Nachbauten er in guter Erinnerung hat. Inzwischen musste Hiltscher das Vorhaben auf unbestimmte Zeit verschieben. Karstädt freute sich, in dessen Brief von ernstem Eifer zu lesen, der ihn bei der Ausbildung zum Zinkenbläser beseelt.

Karstädt erkundigt sich nach Rücks Sammlung, etwaige Zukäufe, die Neuaufstellung und den Katalog. Erinnert sich an die beengten Platzverhältnisse und hofft, dass sich alles zum Guten wenden wird. "Ist der letzte Reichsparteitag abgesagt, so wird der nächste 1941 gewiß stattfinden, und dann sind wir von der Berliner SS wieder da in alter Frische."

In separatem Schreiben wird sich Karstädt vermutlich am nächsten Sonntag an Rudolf Steglich wenden, wenn er ausreichend Muße zum Briefeschreiben hat.

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1940,10,20
Schreibort
Berlin-Lichterfelde
Erwähnte Objekte
Zink
Blasinstrumente
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)
Cornu (Rekonstruktion)
Blasinstrumente
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)
erwähnte Personen
erwähnte Institutionen
erwähnt im Zusammenhang
Behandelte Institution
erwähnt im Zusammenhang
Nachbau
erwähnte Ereignisse
Typ des Ereignisses
Kriegshandlung
Berlin
1940,10
Typ des Ereignisses
Reichsparteitag Nürnberg
Involvierte Person
Nürnberg
1941,09