"Lieber Herr Doktor,
es fällt mir schwer aufs Gewissen, daß ich so lange nicht bei Ihnen war. Aber die Zeit ist wie verhext - bei allen immer wiederholten Vorsätzen, nach Nürnberg hinüberzufahren, konnte es doch nicht dazu kommen, da doch immer ein ganzer Vor- oder Nachmittag drauf geht. Da ist erstens die Semesterarbeit, die außerordentlich angewachsen ist - mit dem vorigen gar nicht zu vergleichen. An die 300 Studenten in den Vorlesungen - ich muß sie im Kempffschen Orgelsaal [der Orangerie] halten, da sitzen die Leute noch im Gang draußen. Auch im Seminar mehr Leute als sonst, daher allerlei Umräumerei in den beiden kleinen Kabinen notwendig. Zum Überfluß hat man mir vor 2 Monaten das Presseamt der Universität aufgeladen, das bindet einen unversehens manchen Tag, wo man sich eigentlich etwas anderes vorgenommen hatte. Zu allem Überfluß wurden vor 14 Tagen mein Arbeitszimmer und das anschließende Wohnzimmer gestrichen - nötig war's, seit 14 Jahren das erste Mal! Aber die Schererei, mit den Büchern vor allem - schrecklich! Aber es muß doch endlich mal wieder werden, daß ich hinüberkomme. Es gibt genug zu besprechen.
Was die Mozartklavichordkopie [MIR1070] betrifft, so könnte sie Frl. Hensel jetzt haben. Das Venzky-Klavichord und das gebundene des Seminars sind wieder in Ordnung, da könnte ich besondere Ausgaben für das Mozartinstrument doch nicht mehr verantworten.
Frl. Kübler hat die Notensache lange hinhängen lassen. Aber Sie will noch etwas für Sie heraussuchen, um die Rechnung quitt zu machen.
Ein Lichtblick ist der Beirat von Heidl! Gott sei Dank, daß die Rückführung des Sieghartsteiner Bestands nun in Aussicht ist! Freilich: wohin? Kloster Zell begeistert mich nicht besonders. Ich habe hier bei Dr. Klarner (Gossen) einmal antippen lassen, er konnte noch nichts Bestimmendes sagen, ließ aber die Möglichkeit offen u. versprach sich zu bemühen. Ich glaube nämlich, daß die während des Krieges so außerordentlich vergrößerten Fabrikräume doch auf lange Zeit nicht voll benötigt werden. Ist Ihnen diese Möglichkeit nicht unsympatisch, so können wir vielleicht zusammen einmal zu Dr. Klarner gehen. Die Lage nur paar Schritte seitwärts der Nürnbergerstraße ist nicht ungünstig. Siemens-Reiniger an die ich auch gedacht hatte, liegt doch rechts abseits von Bahnhof und Autobus. - Ich hatte mir vorgenommen, nächsten Mittwoch vormittag endlich Sie zu besuchen - um [unleserlich] jetzt wohl in der Jahnstr.? Aber da wird nun wahrscheinlich eine Dr.-Prüfung dazwischenkommen. Immerhin: wenn nicht, versuch ich's Sonnerstag und Freitag kann ich leider nicht, weil ich Donnerstag Unterricht und Sprechstunde habe, u. Collegium musicum vorbereiten muß. Wollen Sie einmal herüberkommen, so schlage ich Mittwoch oder Donnerstag nachmittag vor.
Die Briefe von Heidl, Breitkopf und Naubert mit vielem Dank zurück! Hoffentlich schickt Breitkopf noch einiges, sonst würde ich gern eine neue Offensive von Ihnen unterstützen. Und der gute Herr Naubert will also auf seine alten Tage noch Bajuware werden! Da werden freilich sein Firmenwappen mit dem sächsischen Kurschwertern und der Raute ändern müssen. Da er auch einen Kaufvertrag hat, könnte er ja mal aus den schönen Kalenderbildern samt Begleitsprüchen eine nette Veröffentlichung machen, falls Huber selbst nicht mehr mag!
In der Hoffnung, Sie dann doch in dieser Woche endlich wiederzusehen, grüßt herzlichst // Ihr // RudolfSteglich."