NL Rück, I, C-0873e

"Lieber Herr Professor Steglich!

Von der Wahl in Nauders zurückgekehrt wollen wir Ihnen ein paar Zeilen schreiben. Wir sind hier seit acht Tagen. Es scheint täglich Sonne, leider geht dazu ein eiskalter Nordostwind, so dass man nur an geschützten Plätzchen im Freien sitzen kann. Meinem Bruder gehts langsam besser, er braucht aber immer noch mehr Ruhe als Bewegung. Heute waren wir zur Wahl in Nauders unterm Reschenpass, wo es schneite, graupelte, dann wieder die Sonne schien. Am Raschen wehte ein eiskalter Wind. Es waren viele Dutzend Autos aus Meran da, da es die nächste Grenzstation war, wo man wählen konnte. Im unter Vinschgau blühen schon die Aepfel, um Meran herum Pfirsiche, Aepfel, Birnen, Forsythien, Holler, japan. Quitte und vieles andere. Die Baumblüte ist in vollem Gange, heuer um 2-3 Wochen zu frühe, und so müssen die Bauern alle Nacht mit Feuern räuchern, damit die Blüten nicht erfrieren. Kurgäste sind nicht allzuviele bisher hier, sehr schwache Saison. Sie scheint ähnlich im Klaviergeschäft zu sein - - denn Haid berichtet viel mehr von schiefgegangenen Geschäften, denn von abgeschlossenen: es ist seit Wochen der Verkauf fats wie abgeschnitten! Natürlich spürt man das sehr. Hoffentlich wirds nach der Wahl anders [gemeint ist die Wahl zum Großdeutschen Reichstag vom 10. April 1938, die zeitgleich zur Volksabstimmung über den sog. Anschluss Österreichs erfolgte]. Auch die Reparaturen bleiben aus, so dass Haid Mühe hat, die Techniker zu halten. Man kann also die südliche Sonne auch nicht ohne Sorgen geniessen.

Maendler bemüht sich schon seit Monaten, an die Akademie in Wien ein Cembalo zu verkaufen. Die Verhandlungen waren sehr aussichtsreich und wurden durch Duneitz über Wunderer geführt. Nunmehr ist aber ein neuer kommis. Direktor dort und vor Wahlende soll nichts entschieden werden. Zum Glück ist dieser Direktor Prof. Orel. Nun muss ich halt wieder einmal Sie um Ihre Vermittlung angehen. Würden Sie wohl an Orel einige empfehlende Zeilen für Maendler an Orel zu richten geneigt sein? Dann, wenn ja, bäte ich Sie sehr darum. Maendler liegt, nachdem er bei der Ravag nicht zum Ziele kam - Schalaffia - natürlich ausserordentlich viel daran, an die Staatsakademie liefern zu dürfen! Und da denke ich mir, wird wohl Orel ein entscheidendes Wort einzulegen haben. Nachdem Sie die Maendlermodelle aus eigener Anschauung kennen, wären Sie ein geeigneter Verbindungsoffizier. Bitte überdenken Sie die Sache, und wenn Sie sich meinen Ideen anschliessen, schreiben Sie bitte an Orel. Vielleicht liesse sich so deichseln, dass Sie das Instrument aussuchten in München?? Bisher war ja allerdings Wunderer der Mann, der sich für Maendler voll einsetzte. Er dürfte natürlich nicht umgangen werden, vorausgesetzt, dass er weiterhin dort wirken kann. Bisher ist er jedenfalls noch dort und er sollte ja den Kurs für alte Musik einrichten. Somit ist schon vorgearbeitet. Vielleicht liesse sich ein geeigneter 'Einstieg' darin finden, dass Sie bei Orel rückfragen, wies mit den Mozarteum steht. Wir bekamen nämlich bisher auf unsere Eingabe wegen Kopierens des orig. Mozartflügels keinen Bescheid vom Mozarteum, und ehe dieser nicht vorliegt, hingen unsere bisherigen Arbeiten in der Luft. Auf unsere Reklamation beim Moz[arteum] hiess es, vorm 10.4. würde nichts entschieden, da sich darnach [gemeint ist der sog. Anschluss Österreichs] vielleicht interne Aenderungen ergäben! Somit wäre eine erneute Anfrage bezw. Fürsprache Ihrerseits bei Orel berechtigt und sie würde den geeigneten Uebergang zur Cembalofrage ergeben können.

Wir erhielten eine Anfrage von Prof. Herm. Diener, Berlin-Zehlendorf, Ithweg 19. Was kostet ein von Ihnen erbauter Mozartflügel? Steht in Berlin ein Instrument von Ihnen? Wir planen einen Mozartzyklus in den Berliner Schlössern. Kennen Sie Herren Diener? Steht er etwa im Lager N..? [Neupert] Ich glaube mich aber zu erinnern, dass Diener mit Stadlmann in München kürzlich spielte. Bitte berichten Sie mir, falls Ihnen dazu einiges bekannt wurde. Am besten hierher. Wir wollen zwar auf ein paar Tage nach Venedig-Florenz, bis aber Ihre Antwort hier ist, werden wir schon zurück sein, denn in der Woche nach Ostersonntag will ich wieder hier sein, um mich noch auszuruhen. Was ich nämlich auch recht gut brauchen kann.

Darf ich anfragen: wie stehts mit der Reportage? Nach meiner Rückkehr müssten wir mit Esche verhandeln, länger kanns nicht mehr aufgeschoben werden, damit er nicht den Eindruck gewinnt, es läge uns beiden nichts daran. Das wollen wir ja beide nicht aufkommen lassen. Und was macht Artikel Bechstein? Hr. Haid schrieb mir vor 10 Tagen, er habe in Bayreuth die benötigten Bilder angefordert. Vielleicht sprechen Sie mit ihm und lassen ihm auch diese Zeilen lesen, damit ich deren Inhalt, soweit er ihn interessiert, nicht nochmals schreiben muss. Für Ihre evtl. diesbezl. Bemühung im voraus meinen Dank.

Nach den bisherigen Dispositionen wollte Herr Haid am 24.4. hier her kommen. Wenn es dabei bleibt, bin ich dann ab 25ten wieder in Nürnberg und freue mich, Sie dann wieder zu treffen und bei mir wie gewohnt zu sehen.

Wie stets denn mit dem Flügelinteressenten Prof. Richter? Bitte haken Sie oder Ihre Frau baldmöglich wieder dort ein, denn heute darf man niemanden auskommen lassen.

Ohne mehr für heute grüssen wir Sie und Ihre Familie aufs herzlichste und sind damit // wie immer Ihre getreuen // Brüder // [handschriftl.] Rück".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1938,04,10
Schreibort
Meran
Erwähnte Objekte
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Kopie
erwähnte Institutionen