Der Brief hat zwei Datierungen: der erste Teil ist auf den 13. Januar 1949 datiert, die zweite (s.u.) auf den 18. Februar 1949.
"Lieber Herr Kirkpatrick!
Sie werden schon lange vergeblich auf einen Brief von mir gewartet haben. Es ist undankbar, wenn ich Sie solange ohne Nachricht liess. Aber ich darf zur Entschuldigung folgendes anführen:
Mitte August wurde ich als Rekonvaleszent aus dem Krankenhaus entlassen, war aber noch ziemlich klapperig beisammen. Ende August, als die Schönwetter-Periode begann, begab ich mich auf sieben Wochen nach Oberbayern und kehrte zu meinem 66. Geburtstag am 18. Oktober wieder nach Nürnberg zurück. Dort harrten meiner natürlich eine ganze Menge unerledigter, aber wirklich dringlicher Geschäfts- und Bau-Aufgaben. Ich setzte dann meine ganze Kraft an die Fertigstellung des Hauses Jahnstr. 27 und dank dessen konnte ich am 20. Dezember mit Frl. Weigand das Haus beziehen, in dem auch geschäftlich gearbeitet wird. Darüber sind wir sehr glücklich und es war das schönste Weihnachtsgeschenk.
Ich wäre vielleicht schon früher zur Erledigung rückliegender Korrespondenzen gekommen, wenn ich nicht inzwischen nochmals, nämlich drei Wochen im November, ins Krankenhaus gemusst hätte wegen eines Hautausschlags im Gesicht, der mich zwei Monate lang quälte und dessem [sic!] ambulante Behandlung mir sehr viel Zeit wegnahm.
Nun bin ich also seit Weihnachten wieder im eigenen Heim und würde mich herzlich freuen, wenn Sie recht bald wieder als der liebe alte Gast darin einkehren würden!
Ein Tropfen Wermut ist leider in diesen Tagen gefallen: die gute und liebe Frau Durfee, die Sie bei Ihrem Besuch in München und Nürnberg kennenlernten, verunglückte auf der Autofahrt zwischen Ansbach und Feuchtwangen schwer am 8. Dezember, kam dann ins Krankenhaus Nürnberg und stark [sic!] ganz plötzlich an Embolie vor wenigen Tagen. Dieser Todesfall hat uns alle sehr erschüttert, denn diese Frau tat unendlich viel für arme Kinder, aber auch für Musik und Musiker. Wir vermissen sie sehr.
Mit gleicher Post geht an Sie ab: Mozart-Broschüre 'Mozarts Flügel klingt wieder' von Steglich, die musikwissenschaftl. Erläuterung dazu, ferner einige Artikel von Steglich in Fotokopie aus früheren Jahren. Damit habe ich mein Versprechen Ihnen gegenüber eingelöst.
Sie werden sich in der Wintersaison wieder beruflich schönen künstlerischen Aufgaben widmen können und dürfen und meine besten Wünsche dazu begleiten diese Zeilen!
Darf ich nun im Zusammenhang damit anfragen, ob es Ihnen schon gelungen ist, das Buch von Rosamonde Harding für Pianoforte für mich antiquarisch aufzutreiben? Sie wollten auch so lieb sein, zu versuchen, Kondor-Federn für mich in Paris durch Ihren Freund besorgen zu lassen. Ich wäre Ihnen für diese Hilfe ausserordentlich dankbar!
Mit besonderer Dankbarkeit aber gedenke ich immer noch der überreichen Spende an wertvollen, stärkenden Nahrungsmitteln, die Sie mir im Krankenhaus in solch generöser Weise brachten. Ich werde Ihnen diesen Liebensdienst niemals im Leben vergessen. Ich war mehr als gerührt. Haben Sie auch hierfür nochmals auch auf diesem Wege herzlichsten Dank und ein aufrichtiges 'Vergelt's Gott'!
Ich konnte inzwischen für meinen Betrieb Herrn Martin Scholz als Techniker verpflichten, der mehrere Jahre Mitarbeiter von Herrn Hartmann, dem langjährigen Restaurator der Berliner Staatssammlung alter Instrumente gewesen ist. Ich habe damit eine Kraft gewonnen, die mit historischen Instrumententypen umgehen kann, denn Herr Scholz war in den letzten Jahren Betriebsleiter bei Gebr. Ammer-Eisenberg, wo er alle Modelle umkonstruierte und, wie mir der Kammermusiker und Cembalist Herr Grebe sagte, ein sehr beachtliches Cembalo-Modell herausbrachte. Ich bin sehr froh, damit einen Techniker zu haben, der Sinn und Gefühl für historische Instrumente und deren moderne Nachbauten hat.
Bis Sie wieder kommen, wird das schöne Klavichord von Befinger-Rothenburg 1780 [recte: Reßinger, MIR1055], das Ihnen in der Sammlung so gut gefiel, leider aber in der Mechanik klapperig war, hergerichtet sein, damit Sie es spielen können. Überdies kam Herr Dr. Seiler vom Münchener Rundfunk inzwischen als Direktor des Konservatoriums nach Nürnberg. Er kennt die Gepflogenheiten und technischen Erfordernisse für Rundfunkaufnahmen genau und so könnte, so Gott will, 1949 eine Rundfunk-Aufnahme für Sie gemacht werden, da bis dorthin auch mein Maendler-Cembalo in Ordnung ist.
Ich weiss zwar, dass Sie beruflich sehr überanstrengt sind, würde mich aber doch herzlichst freuen, wenn ich ein Lebenszeichen von Ihnen liebenswürdigerweise bekommen könnte. In diesem Sinne drücke ich Ihnen herzlichst die Hand: meine allerbesten Wünsche für 1949, denen sich Frl. Luise anschliesst, begleiten diesen Brief nach New York!
Seien Sie von uns beiden aufs herzlichste begrüsst!
In alter Treue und unwandelbarer Freundschaft // Ihr
Nbg., 18.2.49
Lieber Herr Kirkpatrick!
Nun ist der Brief an Sie glücklich nochmals 1 Monat liegengeblieben, weil ich die Beilagen erst suchen musste: Mozart's Flügel klingt wieder, Studien an Mozart's Hammerflügel etc.
Inzwischen traf vor wenigen Tagen eine weitere ganz herrliche Spende von Ihnen ein. Seitens der Columbia-Records erhielt ich drei wunderbare Plattenalbums mit Mozart- und Bach-Sonaten für Klavier und Violine, Sie glauben nicht, welche grosse Freude Sie mir mit dieser wahrhaft grossartigen Spende gemacht haben! [Siehe Quittung vom 27.12.1948.] Nehmen Sie meinen herzlichsten Dank mit einem warmen Händedruck einstweilen auf diesem Wege für Ihre so liebe Spende entgegen! Auch Steglich wird hochbeglückt sein, wenn er die Platten sieht und hört. Nun habe ich aber dazu eine kleine Bitte: ich habe für diese wertvollen Platten nur deutsche Grammophonnadeln und aus diesem Grunde möchte ich Sie bitten ein paar der Columbia-Original-Saphir-Nadeln senden zu lassen. Denn ich möchte die wertvollen Platten nur mit dem besten dafür geeigneten Nadelmaterial bespielen, um sie nicht zu schädigen. Verzeihen Sie diese Bitte, aber ich bekomme diese Nadeln nirgends in Deutschland.
Das Clavichord, welches Marx nach dem Mozart-Clavichord konstruierte, hat mein Herr Scholz nunmehr mit Messing bezogen und siehe da, das Instrument ist tonlich viel besser geworden. Es ist viel flexibler und wärmer und biegsamer als wie früher. Hoffentlich haben wir bald Gelegenheit Sie wieder in Deutschland zu sehen, damit Sie es probieren können.
Das Buch von Erda Harrich-Schneider über 'Das Cembalo-Spiel' besitzen Sie doch? Andernfalls wenn nicht und wenn es Sie interessiert, kann ich es Ihnen mit beschaffen, da der Bärenreiter-Verlag noch einige Exemplare besitzt. Im Vorwort ist Ihrer wertvollen Mithilfe gedacht. Wissen Sie übrigens, wo Harrich-Schneider jetzt lebt? Maendler gab ihr vor Kriegsausbruch nach Japan ein neues Cembalo mit und hat seitdem nie mehr etwas von ihr gehört.
Hanns Neupert gab ein nettes Büchlein über 'Das Clavichord' heraus: falls Sie es nicht direkt von ihm erhielten, wäre es mir eine Freude, wenn Sie es bei mir einverlangen und ich es Ihnen senden kann. Es behandelt die historische Entwicklung des Clavichords und gibt manche interessante mir bislang nicht bekannt gewesene Literaturquelle an.
Nochmals liebe und herzliche Grüsse und aufrichtigen Dank von // Ihrem altgetreuen
Die Mozartbroschüren gehen separat als Drucksache ab."