Mein lieber Herr Kirkpatrick !
Aufs Freudigste überrascht meldete mir die Post vor wenigen Tagen den Eingang Ihres Liebesgabenpakets, das ich in tadellosem Zustande und unverletzt in Empfang nahm. Was kamen da alles für langentbehrte schöne Dinge zum Vorschein. Es war eine richtige Weihnachtsbescherung. Ich danke Ihnen aufs allerherzlichste nicht nur für diese wundervollen Lebensmittel, sondern auch nicht minder für die so freundschaftliche Gesinnung und Verbundenheit mit mir, die Sie mir damit bereitet haben. Und noch dazu sind mir diese Lebensmittel ein wertvoller Beitrag für meine Ernährung. Wenn man wie wir in Deutschland im Monat nur im Ganzen 150 g Fett, 400 g Fleisch, um das Hauptsächlichste zu nennen, in dieser 4-Wochen-Periode sogar auch keinen Käse bekommt, können Sie ermessen wieviel und wie beträchtlich Sie mir für meine Ernährung geholfen haben. Ich drücke Ihnen im Geiste die Hände in herzlicher Dankbarkeit. Es würde mich freuen, wenn ich Ihnen mit der beiliegenden kleinen Broschüre Joh. Seb. Bach eine kleine nachträgliche Weihnachtsfreude bereiten könnte.
Mein Wohnhaus Jahnstr. 27 ist im Wiederaufbau, ist unter Dach, bekommt im Februar die Fenster, hat bereits Gas, Wasser und Heizung und wird, wie ich hoffe, im Frühsommer bezugsfertig. Dann bekomme ich wenigstens einige gute Büro- und Geschäftsräume und ein paar bescheidene Wohnräume. Bis dahin muss ich mich noch durchfretten in einer Baracke mit 25 qm, welche als Büro und Werkstatt dient und mit zusammen 35 qm privaten Wohnraum für mich und Frl. Weigand.
Über Ihre künstlerische Tätigkeit in Zürich unterrichtet mich eine Kritik über Ihr Konzert am 6.6.47 - im Zunfthaus zu[r] Meise und freue mich aufrecht über Ihren Erfolg. Schade, dass Sie nicht Ihr Weg nach Deutschland und speziell Nürnberg führte: im Germanischen National-Museum ist ein Vortragssaal mit 350 Sitzplätzen, der für Ihre intime Cembalo- Spinett- und Clavichordkunst geeignet wäre. Leider könnte ich Sie allerdings erst nach Einzug in mein neues Heim ganz bescheiden als Gast aufnehmen, aber ich hoffe sehr, dass wir uns dann auch wiedersehen und die Hände drücken können.
Sollten Sie bei Steinway & Sons in Steinway-Hall vorüberkommen, so bäte ich Sie bei Herrn William Steinway meine besten Grüsse zu übermitteln und ihn zu bitten, ob er nicht wenigstens in Form seiner Rundschreiben ein Lebenszeichen mir zukommen lassen könnte. // b.w.
Leider schreiben Sie gar nichts auch über Ihre Familie, insbesondere Ihre Schwester, deren Bekanntschaft ich in Salzburg machen durfte. Bitte übermitteln Sie ihr meine besten Grüsse.
Die Salzbueger [sic!] Festspiele im vergangenen Jahr standen künstlerisch, wie mir von dort berichtet wird, mit ein paar Ausnahmen, auf keiner besonderen Höhe. Der Aufenthalt in Österreich ist derzeit noch wenig erquicklich, weil eine grosse Teuerung herrscht und speziell zu den Festspielen die internationalen Grenzen und Verbindungen noch keineswegs geöffnet sind. Sie haben also bestimmt nichts versäumt wenn Sie 1947 nicht dort waren. Die Hochschule für Mozarteum rettete ein neues Maendler-Cembalo und liess leider ein zweites nicht bergen, sodass es mitsamt Leopold Mozart's Wohnhaus gegenüber dem Theater verlorenging. Mozart's Geburtshaus in der Getreidegasse ist ebenso erhalten wie sein Flügel und Clavichord, die beide durch mein Haus historisch getreu spielbar gemacht wurden. Maendler hat Neukonstruktionen von Cembalis, Spinetten und Clavichorden in der Zeichnung entworfen, kann aber noch nicht bauen, da er noch keine Werkstätte hat. Seine Adresse: München, Barellistr. 7. Er ist trotz seiner 75 Jahre ebenso wie seine Frau wohlauf, wenn auch besonders seine Frau ebenso wie ich noch stark unterernährt sind.
Ich wünsche Ihnen für das neue Jahr herzlich alles Gute, danke Ihnen nochmals ganz aufrichtig und grüsse Sie bestens in alter Verbundenheit als // Ihr
Einlage."