"Sehr verehrter Herr Dr,
Als Pate des kleinen Rolf verkehre ich sehr viel bei der Familie Schiedmayer.
Vor mehreren Tagen gab mir Herr Schiedmayer Ihren Brief vom 10.II.33 und bat mich Ihnen zu antworten, da er sich in den alten Instrumenten wenig auskennt.
Leider konnte ich seinen Auftrag nicht sofort erledigen, da ich mich für einen Vortrag über die Geschichte des Clavichords in Deutschland vorbereiten mußte; somit wird Ihr Brief durch mein Verschulden nicht rechtzeitig beantwortet.
Vor allem möchte ich Ihnen mitteilen, daß die Schiedmayer-Jubiläumsschrift [Eisenmann 1909] von Prof. Alexander Eisenmann, meinem früheren Lehrer, geschrieben wurde.
Dieses Büchlein wird Herr Schiedmayer Ihnen sicher gerne leihen.
Was das Schiedmayer’sche Clavichord und das Tafelclavier von Schiedmayer & Söhne anbelangt, die im Landes[?]museum, Stuttgart aufgestellt sind, so habe ich Herrn P.[aul] Schiedmayer von diesen Instrumenten erzählt.
Leider hat er nun wenig Sinn für alte Instrumente, was sehr bedauerlich ist.
Ohne Übertreibung kann ich sagen, daß ich die Geschichte der Schiedmayer’schen Klavierbauerfamilie besser kenne, als er selbst.
Auch für alte Instrumente, die im Besitz der Fa [Firma] sind, hat er leider wenig Sinn.
Das Clavichord z. B., das Balthasar Schiedmayer im Jahre 1735 gebaut haben soll, konnte ich bis jetzt nur nach einer Photographie kennen lernen, da das Instrument selbst ‚irgendwo auf dem Dachboden‘ steht.
Zwei andere Clavichorde (von J. D. Schiedmayer, 1791 und ‚Schiedmayer in Neustadt a. d. Aisch‘ 1792) stehen auf einer Treppe, ungeheizten Treppe, allen Temperaturschwankungen des jetzigen abnormalen Winters ausgesetzt.
Wenn ich solche Sachen sehe, dann blutet mir tatsächlich mein Herz.
Einen schönen Hammerflügel und ein Fortepiano von J. D. Schiedmayer ließ ich vor einiger Zeit abstauben und instandsetzen, da ich sie bei meinen Vorträgen über die Frühgeschichte des Hammerclaviers vorführen werde.
Diesen Hammerflügel datiert übrigens die Fa [Firma] vom Jahre 1781, was unmöglich ist, da das Instrument ein Schild ‚Joh. Dav. Schiedmayer in Nürnberg‘ trägt.
Im Jahre 1781 aber lebte J. D. Sch. noch in Erlangen; nach Nürnberg übersiedelte er endgültig mit 1797.
In Ihrem Brief wird ein Urteil über Schiedmayer-Nürnberg aus der Zeit um 1800 erwähnt.
Meinen Sie damit etwa die Rubrik ‚Schiedmayer‘ aus dem neuen Lexikon vonGerber [Gerber 1812/1814]?
Ich erlaube mir Sie auch um folgende Auskunft [zu] bitten.
In den Mitteilungen des Königl. Sächs. Altertumsvereins, Dresden, 1872, fand ich ein höchst interessantes Instrumentenverzeichnis vom Jahre 1593.
Darinnen kommen folgende Instrumente vor:
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‚9) Ein Instrument mit schwarzen Clavibus, welches den Organisten zu Leipzig abkaufft worden, steht itzo auf dem Schloß in des von Weimarn [?] Gemach.‘
Es ist dies die älteste Erwähnung eines Klaviers mit schwarzen Untertasten, deren Auftauchen man gewöhnlich viel später annimmt.
Dann kommen dort noch folgende Instrumente vor:
‚4) Zwei Clavichordia eines linck, das andere recht … Das rechte braucht itzund Seifried Littichs Sohn … das lincke aber ist ganz vndt gar verdorben, vndt zu nichts zu gebrauchen.‘
‚11) Ein linck Instrument.‘
Könnten Sie mir vielleicht sagen, was man sich unter diesen ‚linken‘ und ‚rechten‘ Instrumenten vorstellen könnte?
Ich habe darüber Prof. Curt Sachs in Berlin gefragt; er konnte mir aber keine Auskunft geben.
Ich glaube, daß diese Bezeichnungen geeignet sind unsere Anschauung über die alten Ausdrücke ‚paire of clavycords‘ und ‚paire of clavicords‘, die in alten englischen Handschriften vorkommen, vollständig umzustoßen.
Jedenfalls aber wird dadurch die Deutung von Prof. Sachs (Sachs ‚Handbuch der Instrumentenkunde‘ über das Clavichord [Sachs 1930]), der diese Ausdrücke im Sinne ‚einige‘ deutet, mehr wie zweifelhaft.
Dieses ‚paire‘ könnte auch als ein wirkliches Paar Instrumente ‚das eine linck, das andere recht‘ gedeutet werden.
Es würde mich ungemein freuen, wenn Sie zu dieser Frage Stellung nehmen würden.
Außerdem wollte ich Sie fragen, ob Ihnen Clavichorde mit abgerundeten [von U. Rück handschriftl. unterstrichen und mit ‚?‘ versehen] vorderen Tastenkanten bekannt sind.
Durch einen Zufall fand ich in einem Choralbuch in der Berliner Staatsbibliothek eine höchst merkwürdige Anmerkung.
Eine Photokopie dieser Seite (die ich nicht brauch[e,] da ich eine Positivumkopierung derselben besitze) schicke ich Ihnen anbei (auch eine Entzifferung der nicht immer deutlichen Schrift.)
Die Abrundung des Furniers an den Tasten ‚wegen der schleiffenden Manier‘ [von U. Rück handschriftl. markiert und mit ‚?‘ versehen] hängt wohl mit der Clavichordspielart [zusammen], bei der die Finger von den Tasten nach der inneren Hand abgezogen wurden.
Diese Spielart beschreibt J. N. Forkel in seiner Bachbiographie 1802, (Seite 30)[.]
Das Alter des Choralbuches läßt sich nicht unmittelbar bestimmen, da aber sein Besitzer, der Organist Polz in einem Ort (dessen Namen ich notiert, aber augenblicklich nicht unter der Hand habe) unweit [?] lebte, läßtsichsein so kann man es vielleicht feststellen.
Wenn Sie mir die erwünschte Auskunft geben könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Schon im vorigen Jahr wollte ich nach Nürnberg fahren um Ihre Sammlung zu besichtigen und im Stadtarchiv nach dem Clavichordkomponisten Leffloth aus Nürnberg, den Schubart erwähnt, nachzuforschen.
Wie vieles andere, musste ich in den gegenwärtigen schlechten Zeiten, diesen Plan fallen lassen.
Ich danke Ihnen im voraus aufs beste und grüße Sie // ergebenst // A. Kreutz
Stuttgart, Reinsburgstr 83."