"Sehr verehrter Herr Doktor,
Das Fräulein, das mir immer meine Briefe tippt, ist augenblicklich im Urlaub, Sie müssen als diesmal mit meinem handgeschriebenen Brief vorliebnehmen.
Ein Stuttgarter Schulmeister, Reallehrer Aichele, Otto-Reininger-Str. 49, verkauft ein Clavichord, über das ich Ihnen berichten möchte.
Dieses nicht signierte Instrument stammt aus der Empire-Zeit und ist äußerlich sehr schön.
Es ist aus rotem Kirschbaumholz gemacht und mit Bronzebeschlägen verziert. Im Deckel befindet sich in einem Bronzerahmen eingefaßt ein zeitgenössischer Stahlstich, eine antike Lyraspielerin darstellend.
Was an diesem Clavichord auffällt – sind vor allem ganz ungewöhnliche Abweichungen von der üblichen Norm.
So hat z.B. dieses Instrument einen Umfang von vollen 6 Oktaven (F – f4), dann ist es gebunden, was ich bis jetzt an Instrumenten von dieser Größe nie beobachten konnte.
Die Untertasten sind aus Ebenholz, Obertasten mit Elfenbein belegt. Besaitet ist dieses zweichörige Instrument durchweg mit glatten Saiten (Messing und Stahl).
Der Ton ist ganz angenehm (natürlich mit Ausnahme der obersten Oktave, wo die Saiten sehr kurz sind.).
Auffallend ist die Höhe der Tangenten, die 4 cm. beträgt.
Der Resonanzboden ist in einem sehr guten Zustand, weder gesprungen noch durchgedrückt, auch nicht ausgespänt; das ganze Instrument ist überhaupt sehr gut erhalten und durchaus spielbar.
Im Diskant hat der Resonanzboden eine Ausbuchtung, wie oft auch die Hammerklaviere jener Zeit. Der Stimmstock ist wie üblich gekröpft.
[Zeichnung siehe Digitalisat]
Ausmaße des Instruments sind 152 x 49 cm.
Auf die Anfrage über den Preis, sagte mir der Besitzer, daß er es für 300 M. abgeben würde; jedoch habe ich den Eindruck, daß man den Preis evtl. auch etwas drücken könnte.
Sollten Sie Interesse für dieses Instrument haben, so kann ich Ihnen noch weitere Einzelheiten mitteilen.
Mit besten Grüßen, auch an Ihren Herrn Bruder // AKreutz"
Umseitig befindet sich auch der Durchschlag des Antwortbriefs vom 1. November 1935.