NL Rück, I, C-0783d

Anlage zum Abschluss-Protokoll: Verzeichnis der Fotografien.

 

"Technischer Befund von Mozarts originalem Flügel nach der Wiederinstandsetzung durch das Haus Wilhelm Rück, Nürnberg (Inhaber Hans und Dr. Ulrich Rück)

aufgenommen durch Prof. Alfred Haslinger, Prof. Franz Sauer für die Internationale Stiftung Mozarteum in Salzburg, Univ. Prof. Dr. Rudolf Steglich, Erlangen, Restaurator Otto Marx, Leipzig und Hans und Dr. Ulrich Rück, Nürnberg. Genehmigt durch die Univ. Professoren Dr. Erich Schenk, Rostock und Dr. Helmut Schultz, Leipzig.

Mit der Restaurierung begann die Firma Wilhelm Rück in dem Raum der Firma Julius Blüthner, Leipzig, Mitte Februar 1937. Die Arbeiten wurden ausgeführt unter Anleitung und dauernder Aufsich des Restaurators Otto Marx vom Musikwissenschaftlichen Instrumentenmuseum der Universität Leipzig und Dr. Ulrich Rück durch die Klaviertechniker des Hauses Rück Adolf Käser und Heinrich Glock.

Im einzelnen wurde folgendermassen vorgegangen:

1.) Der Resonanzboden wurde wie vorgesehen im Flügel belassen. Nur wurde seine und des Blindbodens Risse mit altgelagertem Resonanzholz ausgespänt.

Die vorne über den Hämmern frei schwebende Bodenauflage hatte sich durch die nur einseitige Absperrung durch den Boden etwa 5 mm nach unten gezogen. Sie mussten durch Anbringung einer auf der Unterseite der Auflage entgegenwirkenden Absperrung geradgerichtet werden. An der niedergezogenen Bodenauflage war schon viel mit Stecheisen und Raspeln herumgearbeitet worden, weil sonst die Mechanik mit den Hämmern keinen Platz mehr gehabt hätte.

2.) Anhang der Saiten: Im Diskant genüge die Befestigung der gelösten Wand mittels besonders guten Leims und die Ausleimung der kleinen Risse im Anhang. Zur weiteren Sicherung wurden vor den Anhängstiften Holzdübel eingelassen. Im Bass hingegen musste der Anhang bis zum 11. Chor erneuert werden.

Er wurde mit der Aussenwand fest verleimt und ebenfalls auf den Rasten verdübelt. Um solchen Schäden auch für die Zukunft an anderen Stellen des Anhangs vorzubeugen, wurde der ganze Anhang mit Holz verdübelt. (Auch der Leipziger J. A. Stein Flügel hat verdübelten Anhang).

3.) Stimmstock: Hier wurde durch einen neuen Steg der erforderlich gleichmässige Seitendruck wiederhergestellt. Der alte Stimmstock wurde belassen. Um einem weiteren Verziehen vorzubeugen, wurde er auf der Unterseite durch ein Querfurnier abgesperrt.

4.) Stimmwirbel: Die später eingesetzten zu starken Stimmnägel wurden sämtlich entfernt, die entstandenen Lücken wurden ausgefüllt die gerade ausreichten, da viele Wirbel des Garser Flügels ebenfalls nicht mehr original waren. Die zahlreichen zu grossen Wirbellöcher mussten mit Hartholz ausgedübelt und frisch gebohrt werden, damit die originalen schwächeren wieder verwendet und der Stimmstock erhalten bleiben konnte.

5.) Saitenbezug: Gemäss der auf dem Steg befindlichen originalen Nummerierung und in Anlehnung an vermutlich noch originale Saitenstärken wurde der Stahlbezug mit den besten Stahlsaiten, Marke Pöhlmann Gold, erneuert, desgleichen der Messingbezug mit Material, das eigens nach alten Mustern angefertigt und bereits am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Leipzig ausprobiert wurde. Der Tuschstreifen auf dem Anhang wurde ersetzt wegen Mottenfrasses, die alte blaue Farbe eigens eingefärbt und eulanisiert.

6.) Klaviatur: An der Tastatur mussten sämtliche Tuch- und Filzteile ersetzt werden, da das vorhandene Material von Motten völlig durchlöchert und teilweise weggefressen und der schwarze Filz auf den Abhebfüsschen für die Dämpfung abgespielt war. Da die Mittelstiftlöcher der Tasten vollkomen ausleiert waren, mussten die oberen und unteren Bäckchen durch sorgfältiges Ein- bzw. Ansetzen von neuem Holz wieder auf das alte Mass gebracht werden. Die Stifte wurden entrostet.

Alle Filz- und Tuchteile wurden in den alten Farben ersetzt, wozu das Material eigens eingefärbt und zum Schutze gegen Motten eulanisiert wurden. An der Zierleiste wurden fehlende Ledergarnierungen durch eigens in alter Farbe eingefärbtes Leder ergänzt.

7.) Mechanik: Die Auslöser wurden zu etwa 1/3 mit neuen Pergamentachsen versehen. Die Auslöserfedern mussten durchgehends erneuert werden in den jeweils eforderlichen Stärken, d.h. im Diskant schwach, gegen den Bass zunehmend stärker. Die Fängerleiste wurde neu beledert, auch die Hammerköpfe wurden durchgehends neu beledert mit einem Material, das in Gerbung und Farbe eigens angefertigt, ydem [sic] historischen Charakter entspricht. Die Hammerachsenlederchen wurden ebenfalls sachgemäss erneuert. Die Messingkapseln nebst Achsen wurden lediglich gereinigt und geölt.

Der Moderatorzug wurde mit neuem Tuch in alter Art und Farbe versehen. Der Zugknopf, früher unsachgemäss ergänzt, wurde erneuert nach dem Originalzugknopf eines Anton Walter-Flügels aus der Sammlung Rück, Nürnberg.

8.) Dämpfung: Sämtliche Dämpfer mussten mit besonders hergestellten weichem Leder neu beledert werden. Am Dämpferführungsrechen wurde der hintere Stab erneuert, der auf dem Resonanzboden festgeschraubt ist. Die im 1. Protokoll erwähnte Mutterschraube wurde nach dem Original ersetzt.

9.) Kniehebel: Die Kniehebel wurden wieder gangbar gemacht.

Nach Abschluss dieser Arbeiten überprüfte Prof. Dr. Schultz, Leipzig, den Flügel und stellte hierüber am 15. Mai 1937 das bereits übersandte Gutachten aus. Prof. Robert Teichmüller vom Sächs. Landeskonservatorium zu Leipzig hat seine Übereinstimmung hiermit auch vom Standpunkt der praktischen Klavierpädagogik aus jenem Gutachten mit hinzufügen lassen.

Daraufhin kam der Flügel in die Werkstatt des Pianohauses Wilhelm Rück in Nürnberg. Hier wurde nach einem Gutachten des Konservators am Germ. Nationalmuseum Karl Barfuss die Politur vollständig gründlich gereinigt und das ganze Gehäuse innen und aussen leicht überpoliert im Interesse der Konservierung des Holzes. Die historische Farbe wurde jedoch beibehalten. Ferner wurden am Gehäuse notwendige Ausbesserungen vorgenommen, so z.B. wurde ein Riss im Deckel wieder zusammengefügt und über der Hohlwand ein Stück Deckelstab erneuert.

Ein vollkommen ausgebrochenes Holzgewinde wurde entfernt und dafür ein neuer Gewindezapfen eingesetzt. In den Fussklotz wurde ein gesundes Stück Holz eingesetzt und passend ausgebolzt. Am Notenpult wurden fehlende Stücke stilgemäss ersetzt.

Die Füsse wurden in der Höhe durch teilweise Verlängerung am unteren Ende ausgeglichen. Eine Untersuchung ergabe, dass die Füsse früher einmal teilweise abgeschnitten worden waren und dass der Mittelfuss an der Längsseite spätere Zutat war. Er wurde infolgedessen entfernt.

Der Rastboden wurde ausgespant und zum Schutz gegen Holzwurm mit Xylamon imprägniert.

Nachdem der Flügel spielbar gemacht war, wurde er von Univ. Prof. Dr. Rudolf Steglich, Erlangen, täglich einige Stunden eingespielt. Anschliessend wurden die bei dieser praktischen Durchprüfung sich als notwendig ergebenden Regulierungen vorgenommen.

Der praktischen Erprobung dienten drei Aufführungen mit dem Mozart-Flügel in akustisch verschiedenen Sälen.

Die erste veranstaltete Prof. Dr. Steglich als Leiter des Musikwissenschaftlichen Seminars der Universität Erlangen am 23.6.37 im Wassersaal der Orangerie Erlangen. Die zweite Aufführung fand am 24.6.37 im Gobelinsaal des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg statt, die letzte am 30.6.37 im Festsaal des Künstlerhauses in Nürnberg. Diese Säle fassen 200-300 Personen. Die Programme liegen bei.

In allen Fällen erwies sich die völlige konzertmässige Brauchbarkeit des Instruments. Allerdings ist hierfür die mozartisch-sachgemässe Behandlung des Flügels durch den Spieler unbedingte Voraussetzung. Die Zeitungsbesprechungen der Konzerte wurden der Stiftung bereits übergeben. Auch aus ihnen geht hervor, dass sich der Flügel – wie auch der Garser Walter-Flügel – augezeichnet bewährt hat, und dass besonders der geschichtlich-getreue Klangcharakter allgemein anerkannt wurde.

In der ersten Juliwoche wurde der Flügel nochmals in allen Teilen nachreguliert und überholt und auf normal A = 870 Schwingungen eingestimmt. Endlich wurde eine jederzeit leicht herausnehmbare Vorderdruckleiste, mit dickem Druckstoff gepolstert, eingebaut, um den heutigen Klaviervirtuosen die Eingewöhnung auf die Spielart des Flügels zu erleichtern und die alte Mechanik zu schonen. In dieser Woche ergab sich aus der Durchreise der Herren Professoren für Musikwissenschaft Dr. Becking aus Prag und Dr. Zenck aus Göttingen durch Nürnberg die Gelegenheit, die Restaurationsarbeit durch diese Herren begutachten zu lassen. Beide erklärten, dass die Arbeit ausserordentlich gut gelungen und der Mozart-Kenntnis, ja der Erforschung und Pflege der klassischen Musik überhaupt hiermit ein ausserordnetlich wertvoller Dienst geleistet worden sei.

Am Mittwoch, den 7. Juli, wurden verschiedene fotografische Aufnahmen des Mozart-Flügels allein und zusammen mit den anderen im Hause Rück befindlichen Walter-Flügeln gemacht. Auch die Mechanik, der bezogene Resonanzboden und einzelne Hämmer wurden für immer im Bilde festgehalten.

Der Flügel wurde hernach fachmännisch in eine Kiste verpackt. Der Transport nach Salzburg wurde durch das Klaviertransportauto der Firma Michael Haber, Nürnberg, unter persönlicher Begleitung von Hans und Dr. Ulrich Rück und Otto Marx, Leipzig, vorgenommen. Wagenführer war Karl Haber. Die erste Etappe führte am 8. Juli bis Ingolstadt, die zweite am 8. Juli von Ingolstadt bis Salzburg. Die Zollformalitäten wurden auf den Zollämtern an der Saalachbrücke erledigt. Gegen 5 Uhr nachmittags stand das Auto vor der Pforte des Mozarteums. Im Beisein des Herrn Kommerzialrat Schurich vom Kuratorium und der Herren Heidl und Jauner von der Verwaltung wurde der Flügel im grossen Sitzungssaal aufgestellt. Eine sofortige technische Überprüfung durch Herrn Otto Marx ergab, dass der Flügel den Transport ohne den geringsten Schaden überstanden hatte.

Im Laufe des 9. Juli besprach sich Herr Prof. Dr. Steglich mit den Herren Professoren Scholz vom Konservatorium Mozarteum über seine Erfahrungen darüber, welche besonderen Anforderungen der Mozart-Flügel an die Spielweise stellt.

Am Aben dieses Tages wurde der Flügel in einer Sitzung des Kuratoriums unter Vorsitz des Herrn Präsidenten Schneidehan der Stiftung wieder übergeben. Prof. Steglich hielt einen kurzen Vortrag über den Mozart-Flügel und seinen Klang und spielte hierauf zur praktichen Erläuterung die Klaviersonate in A-dur. Hierauf nahm der Herr Präsident mit Worten der Anerkennung für alle an dem Werk Beteiligten den Flügel in die Obhut des Mozarteums zurück.

Ein ausführliches Protokoll der Übergabe wurde durch Herrn Prof. Hummel erstellt.

Bei dem anschliessenden geselligen Beisammensein erboten sich die Herren Rück, den Flügel auch künftig sachgemäss zu betreuen. Im Interesse des guten Erhaltungszustandes sei es erforderlich, dass der Flügel von berufener Seite hin und wieder gespielt werde. Es möge ein dementsprechender Beschluss vom Kuratorium gefasst werden.

Das bei der Instandsetzungsarbeit als unbrauchbar befundene Tuch- und Filzmaterial, der abgenommene Saitenbezug, der auf dem Stimmstock vorhanden gewesene niedere Steg und die falschen bezw. unbrauchbaren Stimmwirbel wurden der Stiftung Mozarteum zurückgegeben.

Mit alledem wurde die seit Jahren zuerst von den Herren Hofrat Dr. Friedrich Gehmacher und Dr. Ulrich Rück erwogene und planmässig durchdachte Instandsetzung und Konservierung des Mozart-Flügels glücklich vollendet.

Salzburg, den 12. Juli 1937.

 

[Handschr.] Dr. Rudolf Steglich

Dr. Helmut Schultz

Dr. Erich Schenk

Otto Marx

Hans Rück

Dr. Ulr. Rück.

Prof. Franz Sauer

Alfred Haslinger"